Die Geschichte des Entwässerungsverband Norden
Das Deich- und Sielwesen hängen an der deutschen Nordseeküste unmittelbar miteinander zusammen: Als man vor gut 1000 Jahren mit dem Deichbau begann, musste auch die Binnen-Entwässerung anders gelöst werden, denn der Deich sperrte nicht nur das Nordseewasser aus, sondern auch das Binnen-Wasser ein. Deshalb befinden sich seit damals in allen Hauptdeichen Siele. Die ursprünglichen Siele hatten zur Nordsee gewandte Holztore, die sich jedes Mal bei Ebbe öffneten, wenn der Nordsee-Wasserstand niedriger war als der Binnen-Wasserstand allein durch den Druck des Wassers. Umgekehrt schlossen sich die Tore, wenn das Nordseewasser bei Flut wieder höher anstieg als das Binnenwasser. Heute werden Siele mechanisch geöffnet und geschlossen.
Die verheerenden Sturmfluten vergangener Jahrhunderte haben zunächst zu enormen Landverlusten geführt, so auch in der Leybucht, die einst nicht nur bis Norden, sondern auch bis Marienhafe und tief in die Krummhörn reichte. In der Folgezeit kam es durch die natürliche Verlandung der Leybucht immer wieder zu verschlechtertem Wasserabfluss aus dem Binnenland. So diente die Eindeichung vieler Polder im Laufe der Jahrhunderte nicht nur den alleinigen Zweck der Landgewinnung, sondern jedesmal auch der Verbesserung der Binnenentwässerung durch den Bau eines neuen Sieles am tieferen Watt. In den 20er-30er Jahren des letzten Jahrhunderts bestand im Norderland (das Gebiet um und östlich von Norden) akuter Binnenwasser-Notstand, weil das damalige Norder Außentief, das bis zum Norder Hafen reichte, total verschlickt war und sich auch maschinell nicht mehr frei halten ließ. Daraufhin wurde die Eindeichung von Neuwesteel mit gleichzeitigem Bau des Leybuchtsiels beschlossen. Die letzte Nordsee-Flut erreichte im Juli 1929 den Norder Hafen. Anschließend waren alle Sielbauwerke zwischen Norden und Leybuchtsiel ebenso überflüssig wie die Deiche zu beiden Seiten des Norder Tiefs, das seitdem ein Binnengewässer ist. Die ausreichende Entwässerung des Norderlandes war aber nur bis in die 1950er Jahre durch das Leybuchtsiel zu gewährleisten, weil die Leybucht und damit auch der Rest vom Norder Außentief immer weiter verlandete. Der erneute Wasser-Notstand wurde mit dem Bau des Schöpfwerkes neben dem Siel behoben, das 1962 in Betrieb ging. Seitdem können bis zu 45 m³ Wasser pro Sekunde abgepumpt (=geschöpft) werden, so dass auch dann, wenn mehr Regen fällt als gesielt werden kann, die Binnenentwässerung für das 24.000 ha große Verbandsgebiet gewährleistet ist.
Schon in den 1960er Jahren gab es erste Pläne zur Voll-Eindeichung der Leybucht, wie üblich mit dem Bau eines neuen Siels am tiefen Watt. Dieser Plan war jedoch schon bald nicht mehr mit zunehmendem Umwelt-Bewustsein zu vereinbaren. Weil die weiter fortschreitende natürliche Verlandung der Leybucht mit dem Norder und dem Greetsieler Außentief dazu führte, dass beide Sielstandorte kaum noch Sielmöglichkeiten hatten und fast ausschließlich pumpen mussten, galt es eine Alternative zu finden. Nach langem Hin und Her war die heutige Lösung das Ergebnis, womit gleich vier Probleme gelöst wurden:
- das neue Leysiel am tiefen Watt ermöglicht wieder ein freies Sielen
- der neue Hauptdeich wurde in der nach der 1962er Sturmflut errechneten Höhe gebaut, so dass die Menschen mit Ihrem Hab und Gut wieder sicher sind,
- der Greetsieler Hafen kann fast unabhängig von der Tide von Fischkuttern und Freizeitkapitänen angelaufen werden, und schließlich
- blieb die heutige Leybucht als Teil des nds. Nationalparks Wattenmeer mit ihrem einzigartigen Salzwiesen-Biotop erhalten.
Seit 2001 regelt das neue System die Binnenentwässerung. Dabei dient der Verbindungskanal zwischen Leybuchtsiel und Greetsiel (= Störtebekerkanal) zusammen mit dem Speichersee „Leyhörn“ als Puffer: Wenn die Sielmöglichkeiten am Leysiel nicht ausreichen, pumpen die Schöpfwerke Leybuchtsiel und Greetsiel in diesen Speicher, dessen Volumen für 48 Stunden bei voller Pump-Leistung ausgelegt ist. Schon die wenigen Jahre seit 2001 habe gezeigt, dass es ohne Schöpfwerksbetrieb nicht geht. Regenreiche Jahre erfordern dann so manchen Pump-Tag, der alleine an Stromkosten gut 5.000,-- € verschlingt. Die gesamte technische und Außenanlage wird von einem Schöpfwerksmeister betreut, der – quasi nebenbei – auch für die Passage von Schiffen durch das Leybuchtsiel zuständig ist, die so den historischen Norder Hafen erreichen können.Schöpfwerk Siel stehen in der Verantwortung vom Entwässerungsverband Norden, der darüber hinaus 300 km Binnengewässer im Verbandsgebiet betreut, die das Niederschlagswasser hier zusammenführen. Alle laufenden Kosten der Binnenentwässerung tragen ausschließlich die Verbandsmitglieder über ihre jährlichen Beiträge.